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Myeloproliferative Neoplasien

Unter dem Begriff myeloproliferative Neoplasien (MPN) wird eine Gruppe seltener, bösartiger Erkrankungen des Knochenmarks zusammengefasst, bei denen zu viele rote Blutkörperchen, weiße Blutkörperchen und/oder Blutplättchen gebildet werden. MPN sind chronische Erkrankungen, die aktuell nur durch eine Stammzelltransplantation geheilt werden können. Auf der Grundlage neuerer Forschungsergebnisse wird derzeit nach Medikamente gesucht, die die Vermehrung der erkrankten Zellen dauerhaft hemmen können.

Myeloproliferativen Neoplasien (MPN) - auch chronische myeloproliferative Erkrankungen (CMPE) genannt - sind eine Gruppe verschiedener chronischer Erkrankungen der blutbildenden Zellen im Knochenmark. Allen gemeinsam ist, dass eine bestimmte Blutzelle im Übermaß gebildet wird. Hiervon betroffen sein können die roten Blutkörperchen (Erythrozyten), bestimmte weiße Blutkörperchen oder Blutplättchen (Thrombozyten). Manchmal werden auch verschiedene Arten von Blutzellen vermehrt produziert. Die massive Bildung an sich funktionstüchtiger Blutzellen kann in der Folge verschiedene Komplikationen verursachen wie z.B. Blutgerinnsel, Gefäßverschlüsse oder eine erhöhte Blutungsneigung.

Zu den häufigsten Formen der MPN zählen die essentielle Thrombozythämie (ET), Polyzythämia vera (PV), primäre Myelofibrose (PMF) und die chronische myeloische Leukämie (CML). Bei fast allen CML-Patienten kann eine bestimmte genetische Veränderung, das Philadelphia-Chromosom, nachgewiesen werden. Aufgrund dieser Veränderung nimmt die CML in Bezug auf den Krankheitsverlauf und die Behandlung eine Sonderrolle ein und wird an anderer Stelle beschrieben. ET, PV und PMF, die im Gegensatz zur CML zusammenfassend als Philadelphia-negative MPN bezeichnet werden, weisen viele Gemeinsamkeiten auf und können in Einzelfällen ineinander übergehen.

Ursachen und Häufigkeit

Die Philadelphia-negativen MPN sind - ebenso wie andere Krebsformen - weder ansteckend noch können sie auf andere Menschen übertragen werden. Ursache der MPN sind bösartige, genetische Veränderungen (Mutationen) der blutbildenden Zellen im Knochenmark, die im Laufe des Lebens zufällig, aufgrund bestimmter genetischer Veranlagungen oder durch Umwelteinflüsse erworben werden. Bei der Mehrzahl der MPN-Patienten kann eine Mutation der Janus-Kinase 2 (JAK2) nachgewiesen werden. Kinasen sind Einweiße, die z.B. die Zellteillung regulieren und von der Zelle je nach Bedarf ein- oder ausgeschaltet werden können. Durch die Mutation kann JAK2 nicht mehr ausgeschaltet werden und die betroffene Zelle beginnt, sich ungebremst zu teilen. Die JAK2-Mutation betrifft vor allem Patienten mit Polycythämia vera, ist aber auch bei etwa der Hälfte der Patienten mit essentieller Thrombozythämie und primärer Myelofibrose nachweisbar. Daneben treten viele andere Mutationen auf.

Myeloproliferative Neoplasien sind seltene Erkrankungen. Jedes Jahr werden nur etwa 1 bis 2 Fälle pro 100.000 Einwohner neu diagnostiziert. Eine MPN kann alle Altersgruppen betreffen, ist aber am häufigsten bei Erwachsenen um die 60 Jahre. Männer erkranken etwas häufiger als Frauen.

Symptome

Die Symptome der MPN entwickeln sich in der Regel sehr langsam. Daher passiert es häufig, dass die Erkrankungen vor den ersten deutlichen Krankheitszeichen bei einer Routineuntersuchung als Zufallsbefund entdeckt werden. Ursache der Symptome ist die stark erhöhte Zahl an roten Blutkörperchen, weißen Blutkörperchen oder Blutplättchen:

  • Müdigkeit, Abgeschlagenheit
  • Durchblutungsstörungen an Händen und Füßen
  • Schwindel, Kopfschmerzen und Sehstörungen
  • erhöhte Blutungsneigung (kleine punktförmige Hautblutungen (Petechien), blaue Flecken, Nasenbluten, verlängerte Blutungen z.B. nach Zahnarztbesuch oder nach Verletzungen, verlängerte Regelblutungen bei Frauen)
  • bei fortgeschrittener Erkrankung: Druckgefühl im linken Oberbauch durch eine Vergrößerung der Milz

Viele Patienten verlieren zudem ihren Appetit und nehmen stark ab. Andere Patienten leiden unter Nachtschweiß, Wadenkrämpfen und Schmerzen in den Beinen, Ohrensausen, Tinnitus (Ohrgeräusche), Kribbeln in den Finger- oder Zehenspitzen. Bei PV-Patienten tritt zudem häufig ein stark ausgeprägter Juckreiz auf.

Diagnose der myeloproliferativen Neoplasien

Die Diagnose einer MPN wird häufig zufällig im Rahmen einer routinemäßigen Blutuntersuchung beim Hausarzt/Internist gestellt. Hierbei fallen erhöhte oder erniedrigte Werte der roten Blutkörperchen, weißen Blutkörperchen oder Blutplättchen auf. Spätestens wenn der Arzt in einer Ultraschalluntersuchung eine vergrößerte Milz (Splenomegalie) feststellt und/oder sich die veränderten Blutwerte bei einer Nachuntersuchung bestätigen, sollte eine Überweisung zu einem Facharzt für Leukämie (Hämatologe) erfolgen. Dieser kann durch weitere spezielle Untersuchungen eine genaue Diagnose stellen.

Mit Hilfe molekulargenetischer Laboruntersuchungen des Blutes wird nach Veränderungen (Mutationen) des JAK2 Gens gesucht, die für das Vorliegen einer MPN charakteristisch sind. Sie treten bei über 90 % der Patienten mit PV und etwa bei der Hälfte der Patienten mit ET und PMF auf. Eine JAK2-Mutation oder auch andere weniger häufig auftretende Erbgutveränderungen können die Diagnose einer MPN erhärten.

In der Regel wird auch das Knochenmark untersucht. Dazu wird mit einer Spritze unter örtlicher Betäubung Knochenmark aus dem Hüftknochen oder Brustbein (Knochenmarkpunktion) entnommen. Dieser kurze, ambulante Eingriff kann für den Patienten etwas unangenehm sein, da es einige Minuten dauert, bis das Knochenmark in die Spritze gelangt. Das gewonnene Knochenmark wird unter dem Mikroskop im Hinblick auf Aussehen und Anzahl der verschiedenen Knochenmarkzellen begutachtet (Zytomorphologie). Ein erfahrener Arzt kann so weitere Hinweise auf die Form der Erkrankung erhalten.

Formen der myeloproliferativen Neoplasien

Bei Patienten mit myeloproliferativen Neoplasien bildet der Körper zu viele rote Blutkörperchen, bestimmte weiße Blutkörperchen oder Blutplättchen. Manchmal werden auch verschiedene Arten von Blutzellen zu viel produziert. Die Einteilung einer MPN richtet sich danach, welche Sorte der Blutzellen am stärksten betroffen ist. Zu den myeloproliferativen Neoplasien gehören

  • chronische myeloische Leukämie (CML)
  • Polyzythämia vera (PV)
  • essentielle Thrombozythämie (ET)
  • primäre Myelofibrose (PMF) (auch chronische idiopatische Myelofibrose oder Osteomyelofibrose)
  • systemische Mastozytose
  • chronische Neutrophilenleukämie
  • chronische Eosinophilenleukämie (CEL) (auch hypereosinophiles Syndrom)

Besonders im Anfangsstadium lassen sich die verschiedenen Formen häufig nur schwer unterscheiden. In Einzelfällen können die Krankheiten auch ineinander übergehen.

Essentielle Thrombozytämie

Kennzeichen der essentielle Thrombozytämie ist eine langsame aber fortschreitende Vermehrung der Blutplättchen (Thrombozyten). Blutplättchen spielen eine wichtige Rolle in der Gerinnung, die bei gesunden Menschen durch Verletzungen ausgelöst wird und zum schnellen Verschluss von Wunden führt. Aufgrund der stark erhöhten Thrombozytenzahl verklumpen bei ET die Zellen in den Blutgefäßen, ohne dass eine Verletzung vorliegt. In der Folge können Durchblutungsstörungen oder Gefäßverschlüsse (Thrombosen) auftreten. Unter den MPN hat die essentielle Thrombozythämie den günstigsten Verlauf, so dass Patienten gewöhnlich eine normale Lebenserwartung haben.

Polycythämia vera

Bei PV ist die Anzahl der roten Blutkörperchen und damit einhergehend der Wert des roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin) stark erhöht. In der Folge wird das Blut dick und zähflüssig, was zu Durchblutungsstörungen an Armen und Beinen führen kann. Die Tatsache, dass aber auch die Blutplättchen und die weißen Blutkörperchen manchmal stark vermehrt vorkommen, macht die Unterscheidung zu den anderen MPN oft nicht einfach. Patienten mit PV haben mitunter eine normale Lebenserwartung. In seltenen Einzelfällen kann sich die Erkrankung nach Jahren oder Jahrzehnten zu einer akuten myeloischen Leukämie weiterentwickeln.

Primäre Myelofibrose (PMF)

Bei der PMF steht zu Beginn der Erkrankung die Vermehrung von Blutplättchen und weißen Blutkörperchen im Vordergrund. Gleichzeitig kommt es zu einer vermehrten Bildung neuen Bindegewebes im Knochenmark (Fibrose), die man sich als Vernarbung vorstellen kann und die allmählich zum Versagen des Knochenmarks führen kann. Die Blutbildung verlagert sich im Verlauf in andere Organe wie Milz oder Leber. Die Myelofibrose kann primär, also als eigenständige Erkrankung (PMF), auftreten oder sich aus einer ET oder PV entwickeln. Innerhalb der myeloproliferativen Neoplasien hat die PMF die ungünstigste Prognose, auch wenn die Krankheitsverläufe in Einzelfällen sehr unterschiedlich sein können. Faktoren wie das Alter des Patienten, die Art der Symptome und die Blutwerte dienen zur Abschätzung des individuellen Risikos und helfen bei der Auswahl einer geeigneten Behandlung.

Behandlung

Myeloproliferative Neoplasien sind chronische Erkrankungen, die derzeit nicht medikamentös geheilt werden können. Ziel der Therapie ist es, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern und mitunter schwerwiegende Komplikationen zu verhindern. Bei vielen MPN-Patienten reicht es zu Beginn oft aus, die Erkrankung engmaschig zu kontrollieren (Blutwerte und Untersuchung der Milz) und zu beobachten. Dieses Vorgehen bezeichnet man als watch and wait. Erst wenn sich Symptome oder Veränderungen zeigen, wird eingegriffen. Die Behandlungsmethoden sollten sich dabei immer nach der jeweiligen Erkrankungssituation jedes einzelnen Patienten richten. Mögliche Risiken und Nebenwirkungen sollten gegen den individuellen Nutzen abgewogen werden. Da die Krankheitsverläufe sehr verschieden sein können, gibt es kein einheitliches Therapievorgehen.

Thrombozytenaggregationshemmer

Thrombozytenaggregationshemmer verhindern das Verklumpen der Blutplättchen (Thrombozyten) und beugen so Durchblutungsstörungen vor. Der am häufigsten verordnete Wirkstoff ist die Acetylsalicylsäure (ASS), die in höherer Konzentration auch als Schmerzmittel eingesetzt wird (z.B. Kopfschmerzen).

Aderlass

Eine der wirkungsvollsten Therapien bei PV ist der Aderlass. Hierbei wird dem Patienten eine größere Menge Blut (bis zu 500 mL) entnommen, um die Anzahl der roten Blutkörperchen zu reduzieren und den Blutfluss zu normalisieren. In Abhängigkeit vom Blutbild kann es zu Beginn notwendig sein, mehrere Aderlässe mit nur wenigen Tagen Abstand durchzuführen. Später werden die Abstände größer. Neben der unmittelbaren Erniedrigung des Hämatokrit-Werts (Menge aller Zellen im Blut) verursacht der Aderlass langfristig einen willkommenen Eisenmangel, der zusätzlich die Produktion neuer roter Blutkörperchen hemmt.

Medikamentöse Reduktion der Zellzahlen

Stark erhöhte Zellzahlen können auch durch den Einsatz verschiedener Medikamente reduziert werden. Hierzu gehören Zellgifte (Zytostatika) wie Hydroxyurea oder Anagrelid, die die Neubildung von Blutzellen im Knochenmark hemmen. Während Hydroxyurea die Produktion von Blutplättchen, roten und weißen Blutkörperchen verringert, wirkt Anagrelid spezifisch auf die Bildung von Blutplättchen. Alternativ kann auch eine Behandlung mit dem hormonähnlichen Botenstoff Interferon-alpha in Frage kommen, das ebenso wie Hydroxyurea einen reduzierenden Effekt auf alle drei Blutzellarten hat.

Stammzelltransplantation

Die einzige kurative (heilende) Behandlung für Patienten mit MPN ist eine Stammzelltransplantation. Hierbei handelt es sich um einen belastenden und risikoreichen Eingriff, bei dem das erkrankte Knochenmark durch gesundes ersetzt wird. Anders als der Name es vermuten lässt, ist eine Stammzelltransplantation keine Operation. Der Patient erhält die aufgereinigte Blutstammzellen eines passenden Spenders mittels Infusion. Für eine erfolgreiche Therapie müssen zuvor alle krankhaften Knochenmarkzellen des Patienten abgetötet werden. Dies wird durch eine starke (intensive) Chemotherapie und eine Bestrahlung erreicht, die neben den kranken auch die gesunden Zellen im Knochenmark zerstört. Das Risiko einer Stammzelltransplantation ist groß. Daher kommt diese Behandlung nur für Patienten mit fortgeschrittenem Krankheitsstadium in Frage.

Therapiestudien

In Deutschland werden viele MPN Patienten im Rahmen von Therapiestudien behandelt. Hierbei erhält der Patient Zugang zu den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und wird mit innovativen Medikamenten und entsprechend aktueller Behandlungsstrategien therapiert. Die Teilnahme an einer Studie bedeutet nicht, dass die Anwendung der eingesetzten Medikamente experimentell ist. Vielmehr ist es das Ziel, die Behandlungsstrategien der MPN in Zukunft zu verbessern. Die Entscheidung darüber, welche Studie für einen Patienten in Frage kommt, muss zusammen mit dem behandelnden Arzt gefällt werden. Dabei spielen verschiedene Kriterien z.B. Erkrankungsmerkmale, Erkrankungsphase, Vorbehandlung, Alter und Risikofaktoren eine Rolle. Die letztliche Entscheidung für eine Studienteilnahme trifft aber immer der Patient selbst.

Viele Kliniken im gesamten Bundesgebiet beteiligen sich an den Studien der Studiengruppe für MPN. Die aktuellen Studien dieser Studiengruppen finden Sie im Deutschen Leukämie-Studienregister.

Quelle:

https://www.kompetenznetz-leukaemie.de/

 

 

© 2016 Selbsthilfegruppe für Leukämie- und Lymphompatienten Halle (Saale) / Sachsen-Anhalt

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